Die Zauberer von Oz Methode
Ein Selbstwerdungsprozess in 11 Schritten
Meine „Zauberer von Oz Methode“ regt am Beispiel des Mädchens Dorothy und anhand von Bildern und Sequenzen aus dem Märchen einen Selbstwerdungsprozess in 11 Schritten an.
Der Zauberer von Oz ist eine Geschichte von Lyman Frank Baum. Sie erschien 1900 unter dem Titel „The wonderful wizard of oz“ und ist in der USA so bekannt wie bei uns z. B. Hänsel und Gretel. Das Buch wurde 1939 verfilmt mit Judy Garland in der Rolle der „Dorothy“.
Inspiriert von C.G.Jung und Ute Karin Höllrigl (Jungsche Analytische Psychologie), Stephen Gilligan und Robert Dilts (Hypnotherapie), Richard Schwartz (Therapie mit dem inneren Familiensystem), Stephe de Shazer (lösungsfokussierte Kurztherapie), Aaron Antonovsky (Salutogenese Konzept), Manfred Stelzig (Psychodrama)...
Warum gerade „Der Zauberer von Oz“?
Als Jugendliche beobachtete ich einen schmächtigen kleinen Mann, der 2 große und stattliche Pferde halfterte, ihnen Zaumzeug und Scheuklappen anlegte und sie dann rechts und links von sich abführte. Die Pferde trabten brav und gehorsam neben ihm. „Wenn die Pferde wüssten, welche Kraft sie haben, dann würden sie sich nie so beherrschen lassen“, dachte ich mir. Und: „Könnte es sein, dass auch wir Menschen uns unserer innewohnenden Kraft nicht bewusst sind?“
Der Zauberer von Oz setzt genau da an. Er erinnert uns an unser Potential und bringt unsere Sehnsucht nach Glück und unserem wahren Zuhause ins Schwingen: „Da muss es doch noch mehr geben als einen grauen Alltagstrott, irgendwo, am anderen Ende des Regenbogens.....“.
Das Märchen bringt Stationen eines inneren Reifungsprozesses auf den Punkt, eines Prozesses der Ganzwerdung, den ich nachfolgend illustriere.
11 Schritte
1. Ein/e Suchende/r sein und den Ruf der Sehnsucht vernehmen
Dorothy lebt gemeinsam mit ihrem Onkel Henry, ihrer Tante Emmy und dem Hund Toto auf einer Farm in Kansas.
Die Erzählung beginnt grau in grau, es wird ein depressives Lebensgefühl vermittelt:
Wenn Dorothy von der Tür her in die Runde blickte, konnte sie nur sehen, was sie immer sah: die weite graue Prärie überall. Weder Baum noch Haus ragten aus der tellerflachen Landschaft empor, die bis zum Horizont reichte. Die Sonne hatte das gepflügte Land zu einer grauen Masse gebacken, die von kleinen Rissen durchzogen war. Nicht einmal das Gras war grün, denn die Sonne hatte die Spitzen der langen, grünen Gräser verbrannt. Nun sahen sie so grau aus wie alles andere. Onkel Henry hatte das Haus vor Zeiten gestrichen, doch die Sonne hatte die Farben ausgebleicht. Und jetzt sah es genauso langweilig und grau aus wie die Umgebung. Tante Em war ein hübsches Mädchen gewesen, als sie hierher gezogen war. Doch Sonne und Wind hatten auch sie verändert. Der Glanz war aus ihren Augen verschwunden. Nüchtern und grau blickten sie drein. Sie hatten auch das Rot der Wangen und Lippen gelöscht, grau waren auch sie. Dünn und hager sah sie aus und lächelte nie.
Als scharfer Kontrast zu diesem grauen Alltag steht Dorothy's Sehnsucht nach dem goldenen Land jenseits des Regenbogens, in dem Träume wahr werden können. HIER das Lied zum Film, das diese Sehnsucht ausdrückt. Die Jungsche Analytikerin Ute Karin Höllrigl beschreibt Dorothy folgendermaßen: „Die Heldin des Märchens ist wie viele junge Suchende in ihrer Familientradition eine „Andere“. Sie muss über den täglichen Kampf hinaus nach dem Geheimnis des Lebens fragen und bleibt darin unverstanden.“ In Schritt 1 geht es darum, mutig die Fährte zur vielleicht verschütteten Sehnsucht zu erschnüffeln, um dem roten Faden Ihres Lebens auf die Spur zu kommen.
2. Die Erschütterung: Krise als Chance
Eines Tages sucht ein Wirbelsturm die Region heim und es gelingt Dorothy nicht, in den Sturmkeller zu flüchten. Der Sturm reißt das ganze Farmhaus mit sich und mit ihm Dorothy und Toto.
Es ist ein psychischer Leidenszustand – Dorothy‘s geliebter Hund Toto soll getötet werden – der einen Wirbelsturm auslöst den Ute Karin Höllrigl „Wirbelsturm des Schicksals“ nannte und der Dorothy's bisherige fest gefügte Ordnung erschüttert.Hier geht es um das Loslassen von Gewohnheitsmustern, die das Leben immer wieder in die selben Bahnen lenken. Oft sind es Krisen, die uns raus aus unserer Komfortzone katapultieren. Das daraus verursachte Chaos ermöglicht Neues. So ist es auch bei der Raupe, die sich im Kokon fast gänzlich auflösen und neu zusammensetzen muss, damit aus ihr ein Schmetterling entsteht ....
3. Der Entschluss: Eine Kehrtwende machen von der Ausrichtung auf die äußere Welt zur Ausrichtung auf die innere Welt
Nach langer Reise setzt der Sturm das Haus auf einer Wiese im Land der Munchkins ab und begräbt dabei die böse Hexe des Ostens unter dem Haus, die bis dahin über die Munchkins herrschte.
Der Wirbelsturm hat Dorothy in ihr „inneres Haus“ katapultiert, von dem aus sie Zugang zu ihren Seelenbildern gewinnt. Sie übernimmt Verantwortung für die eigene Innenwelt und beginnt, diese zu gestalten. Damit ist sie aus der Opferrolle ausgestiegen. Dies erfordert Mut, denn Dorothy bewegt sich fernab von der Sicherheit des Gewohnten.
Interessanterweise bringt bereits die deutsche Sprache zum Ausdruck, dass das Opfer im Schöpfer enthalten ist und es nur weniger Ergänzungen bedarf, nämlich das Hinzufügen von 3 Buchstaben und von 2 Punkten auf dem o, um aus einem Opfer einen Schöpfer zu machen.
Auf einmal schrien die Munchins .... laut auf und zeigten auf das Eck des Hauses, unter dem die böse Hexe gelegen hatte.... Die Füße der toten Hexe waren verschwunden, und das einzige, was von ihr geblieben war, waren ihre silbernen Schuhe. „Sie war schon so alt“, erklärte Glinda, die gute Hexe des Nordens, „dass sie in der Sonne im Handumdrehen vertrocknet ist. Nun ist es also vorbei mit ihr. Aber ihre silbernen Schuhe gehören jetzt dir, also sollst du sie auch tragen.“ Sie beugte sich hinunter, hob die Schuhe auf, schüttelte den Schmutz von ihnen ab und gab sie Dorothy. „Auf diese silbernen Schuhe war die böse Hexe des Ostens sehr stolz“, sagte einer der Munchkins. „Ihnen wohnt eine magische Kraft inne, aber wir wissen nicht, worin sie genau besteht.“
Selbstverantwortung übernehmen: Allein Dorothys Entschluss, selbst die Verantwortung für ihre Innenwelt zu übernehmen und einen neuen Weg zu gehen, macht die böse Hexe des Ostens unschädlich.
Den Fokus darauf zu legen, andere zu ändern, heißt, die eigene Macht an andere abzugeben. Schwerpunktmäßig bei sich und beim eigenen Handlungsspielraum zu bleiben heißt, die Macht wieder zu sich zurückzunehmen. Im Märchen zeigt sich diese Machtzurücknahme dadurch, dass die Hexe des Ostens vertrocknet und Dorothy deren Schuhe der Macht erhält.
4. Sich mit Kraftquellen – inneren Helfern - verbinden, um sich für die Reise des Bewusstseins zu wappnen
Am Ausgangspunkt ihres Weges, in einem paradiesischen Land, begegnet Dorothy Glinda, der guten Hexe des Nordens, die das Mädchen von nun an beschützt und für ihre Reise gut ausrüstet. Um den Weg zurück nach Hause zu finden, rät ihr die gute Hexe, auf dem gelben Ziegelsteinweg in die Smaragdstadt zu gehen und dort den Zauberer von Oz um Hilfe zu bitten. Linda, die gute Hexe verabschiedet sich von Dorothy mit einem Kuss auf die Stirn, welcher die Kraft hat, das Mädchen auf ihrer Reise zu beschützen.
Die „Glücksfee“ oder „innere Weise“ symbolisiert die Fähigkeit, die eigenen Stärken im richtigen Augenblick zu nützen. Dorothy verbindet sich mit ihrer spielerischen Leichtigkeit, denn sie beginnt den Weg im Walzertakt. Zusätzlich verankert sie sich in ihrem Herzen und stellt auf ihrem Weg die Stärke ihres Mitgefühls und ihrer leidenschaftlichen Liebe unter Beweis. Sie setzt ihre Gleichheit mit allen, die sie kennenlernt, als selbstverständlich voraus.
Gefordert ist in diesem Schritt, sich auf eine neue Macht einzustimmen – unsere eigene, indem wir einen guten Zugang zu unseren inneren Ressourcen, zu unserer inneren Fülle, finden.
Denn - in uns allen liegt ein großes Repertoire an Fähigkeiten. Laut Stephe de Shazer, der den Begriff „Zauberer von Oz –Methode“ prägte, wird in einem therapeutischen Prozess niemandem etwas hinzugefügt, es wird kein Mangel behoben, sondern das erschlossen, was jeder bereits in sich trägt.
5. Den Ruf annehmen und sich auf das Sehnsuchtsziel ausrichten
In der Nähe des Hauses verliefen mehrere Straßen, aber es dauerte nicht lange, bis Dorothy diejenige mit den gelben Steinen gefunden hatte. Kurz darauf marschierte sie zügig in Richtung der smaragdenen Stadt und ihre silbernen Schuhe klapperten fröhlich über das harte, gelbe Pflaster.
Dorothy richtet sich aus auf den Weg zum wilden Glück, zum wahren Zuhause.
Hier geht es darum, das, was wir wirklich wollen, unsere wahren Bedürfnisse, nicht aus den Augen zu verlieren. Konkret bedeutet es, uns immer wieder auf das zu besinnen, was wesentlich für uns ist.
6. Schwächen in Stärken umwandeln
Auf dem Weg begegnet Dorothy einer Vogelscheuche mit Stroh im Kopf, einem erstarrten, eingerosteten Blechmann, der meint, er hätte sein Herz und damit jegliches Gefühl verloren, und einem Löwen, der sich als feige erachtet. Sie begegnet den dreien mit offenem Herzen, befreit die Vogelscheuche von dem Pfahl, an dem sie hängt, sorgt dafür, dass der Blechmann sich wieder bewegen kann und ermutigt den feigen Löwen, mit ihr in die Stadt zu reisen. Alle drei sind davon überzeugt, dass der Zauberer von Oz ihnen das geben werde, was sie sich am meisten wünschen: der Vogelscheuche Verstand, dem feigen Löwen Mut und dem Blechmann ein Herz. So schließen sie sich Dorothy und ihrem Hund Toto an.
Dorothy öffnet sich für ihre vermeintlichen Schwächen, die sich als Vogelscheuche, Blechmann und Löwe zeigen. Dankbar, weil Dorothy ihnen vorbehaltslos und offenherzig begegnet, entpuppen sich diese als Helfer und Freunde.
Wenn ich Selbstmitgefühl praktiziere, können meine Schwächen - erlöst durch meinen liebevollen Blick auf sie - den goldenen Kern freilegen, der in ihnen steckt. Oft stellt sich heraus, dass gerade in dem, wo die größte Verletzung steckt, die größte Stärke verborgen liegt.
Im Teamwork zum Erfolg: Dorothy und ihre 3 Begleiter bewegen sich unter freiem Himmel, sie haben keine äußere Sicherheit, schaffen es allerdings durch Verbundenheit untereinander und gegenseitige Unterstützung, ihre Prüfungen und Abenteuer zu bestehen.
7. Dem goldgelben Weg - unbeirrbar - folgen
Dorothy schafft es trotz unüberwindlich erscheinender Hindernisse herzoffen und zuversichtlich zu bleiben und zu tun, was zu tun ist. Sie hat gelernt, ihrem Instinkt zu vertrauen. Im Märchen zeigt sich der Instinkt im Bild des Hundes Toto, der das Mädchen überallhin begleitet.
Bitte zwischendurch immer wieder auftanken!
So eine Entdeckungsreise der eigenen Innenwelt verlangt uns ganz schön viel ab. Doch ein Held/eine Heldin schmeißt niemals das Handtuch, auch wenn die Anforderungen überbordend erscheinen und ihm oder ihr der Treibstoff ausgeht. Egal mit welchen Schwierigkeiten Sie konfrontiert sind, wenn auf der gegenüberliegenden Waagschale mindestens gleich viele Kraftquellen (Gegengewichte) aktiviert sind, ist alles leichter.
Darum die Frage:
Was für ein Benzin brauchen Sie, um auf Ihrer Lebensreise voranzukommen? Hilft es Ihnen, dem Raum zu geben, was Ihr Herz vor Freude zum Zittern bringt, was gut läuft, auch wenn rundherum Probleme sind? Geht es darum, jeden kleinen Schritt auf Ihrer Reise gebührend wertzuschätzen? Brauchen Sie Aufmerksamkeit für das Wunderbare um Sie herum und sei es „nur“ ein kleines Blümchen am Weg, das durch den Asphalt durchgebrochen ist und so zum Sinnbild für die unbändige Kraft des Lebens geworden ist? Hilft es Ihnen, wenn Sie sich zwischendurch immer mal Ruhe gönnen und die Hoffnung nicht aufgeben, auch wenn eine Zeitlang Stillstand herrscht oder Sie sogar Rückschritte machen? Geht es darum, wieder Vertrauen ins Leben und Kraft zu schöpfen und beharrlich nach dem zu suchen und dem zu folgen, was sich für Ihr Selbst richtig anfühlt? Oder ist es etwas ganz Anderes? Finden Sie Ihren ganz persönlichen Treibstoff.
Wenn wir nicht stehen bleiben bei Verzagtheit und Verzweiflung, sondern immer wieder neu Kraft und Zuversicht schöpfen, dann können wir den inneren und äußeren Stürmen des Lebens trotzen
– so wie Pippi LANGSTRUMPF:
Tommy und Annika: "Der Sturm wird immer stärker!"
Pippi: "Das macht nichts. Ich auch!"
Bei all dem geht es nicht um Perfektionismus, sondern nur ums Dranbleiben an dem, was wesentlich für uns ist, wie schon Rilke schrieb: Wir leben unser Leben in wachsenden Ringen,die sich über die Dinge ziehen.Wir werden den letzten vielleicht nicht vollbringen,aber versuchen werden wir ihn.
8. OZ – das Staunen lernen im zauberhaften Land der Wunder und Freuden
Oz ist für den, der anfängt, es zu sehen, überall und lässt uns staunen über eine Welt, die plötzlich bunt wird. Dies wird möglich, sobald wir aus dem Funktionieren und der ständigen Hetze aussteigen und uns die Zeit nehmen, innezuhalten und wirklich wahrzunehmen.
Den goldgelben Weg gehen – Gold schürfen - bedeutet für mich auch, eine goldgelbe Brille aufzusetzen und dadurch das Schöne und das Wertvolle in sich, in anderen und in der Natur zu erkennen. Es bedeutet, eine „Wow“ Haltung einzunehmen und die Schönheit des Lebens zu feiern und wertzuschätzen.
Wenn man ihm seine volle Aufmerksamkeit schenkt, wird selbst ein Grashalm zu einer geheimnisvollen, unglaublichen, unbeschreiblich wunderbaren Welt.
Henry Miller 1891 – 1980
'Es gibt zwei Arten sein Leben zu leben: entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles eines. Ich glaube an letzteres.'
Albert Einstein
Oz kann auch als Ort der Erkenntnis betrachtet werden, als Aufforderung, die bunten Welten, den Regenbogen mit all seinen Farben, Facetten und Texturen, auch in uns selbst zu suchen.
9. Schattenarbeit
Schattenarbeit ist der Weg vom blinden Ausagieren und Projizieren unseres Schattens auf andere zur Transformation durch Integration.
Schatten sind nach C.G.Jung jene Teile unserer Persönlichkeit, die wir unterdrückt bzw. abgespalten haben und die wir ablehnen, weil sie nicht in unser Selbstbild und nicht zu unserer „Theatermaske“ passen. Die abgespaltene Energie geht allerdings nicht verloren und agiert nun aus dem Untergrund: So kann es vorkommen, dass Schattenseiten unser bewusstes Ich kidnappen und ihm die Führung unseres Lebens abspenstig machen. Unsere abgespaltene Energie kann auch bewirken, dass wir unsere Schatten in unsere Mitmenschen hineinprojizieren. Schon in der Bibel wurde über Schattenprojektion gesprochen: „Was aber siehst du den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?“Den goldgelben Weg gehen bedeutet, unsere negativen Triebe bewusst wahrzunehmen, einen Kontakt zu ihnen aufzubauen und sie einzugrenzen oder zu bezähmen. Durch diese Integration können sie sich verwandeln und stellen sich in unsere Dienste. Die Verwandlung des sogenannten Bösen in das Gute, bzw. des Problems in eine Ressource ist ein Motiv, das uns vielerorts begegnet: Die Alchimisten strebten bereits im Mittelalter danach, unedle Metalle in Gold zu verwandeln und in der Traumatherapie spricht man von „making roses out of shit“. Auch im Märchen Rumpelstilzchen muss die Königstochter aus Stroh Gold spinnen.
Auch Josef Campbell weist darauf hin, dass in jedem Schatten Gold verborgen ist, wenn er sagt: „Die Höhle, die du fürchtest zu betreten, hortet den Schatz, den du suchst.“
Wie sieht dieser Prozess nun in der Bilderwelt des Zauberers von OZ aus?
Der Zauberer von Oz verspricht, jedem zu helfen, vorausgesetzt, sie töten die böse Hexe des Westens, die über das Land der Winkies herrscht. Die vier stellen sich dieser Aufgabe, unterliegen allerdings den Heerscharen der bösen Hexe. Dorothy und der Löwe werden gefangengenommen, die Vogelscheuche und der Blechmann werden zerstört. Der Löwe verweigert es, sich in den Dienst der Hexe zu stellen Da Dorothy arglos war und die Macht ihrer silbernen Schuhe noch nicht kannte, konnte die böse Hexe sie vorerst doch zu ihrer Sklavin machen, denn Dorothy wusste ihre Macht nicht zu gebrauchen. Als die böse Hexe allerdings ihre silbernen Schuhe stehlen wollte, gerät Dorothy so in Zorn, dass sie der Hexe einen Kübel Wasser über den Kopf schüttet, worauf diese zerschmilzt. Dorothy und der Löwe sind wieder frei. Die Vogelscheuche und der Blechmann werden wieder zusammengesetzt.
Das fließende Wasser über dem Kopf der Hexe kann als Symbol für das bewusste Fühlen und dadurch bedingte Abfließen von extremen Gefühlen betrachtet werden.
Die böse Hexe schmilzt dahin und Dorothy kann die Energie der einstigen Hexe als gesunde Aggression bzw. Durchsetzungskraft in sich aufnehmen.
Dorothy hat gleich Gelegenheit, ihre neu gewonnene Aggression einzusetzen: Sie muss den Zauberer davon abhalten sich zu entziehen, ohne sein Versprechen einzulösen, sie nach Hause zu bringen.
Die verschwundene Hexe wird vom Blechmann ersetzt, der gerne mit seinem großen Herzen das Königreich der Winkies regiert.
10. Trugbilder entlarven
Sie dürfen nur einzeln vor den Zauberer treten, jedem erscheint dieser in einer anderen Gestalt: als gigantischer Kopf, als schöne Frau, als gefährliches Raubtier und als Feuerball.
Der Zauberer, den Dorothy so lange gesucht hat, war ein Trugbild, das es zu entlarven galt. In unserem Leben kann der Zauberer von Oz, der uns an der Oberfläche gefangen hält, vielerlei Gesichter annehmen – Seelentröster wie Alkohol oder andere Süchte, äußere Zwänge, denen wir meinen, uns unterwerfen zu müssen, unser Streben nach mehr und mehr materiellem Besitz, unser Leistungsdenken, dem alles untergeordnet ist oder ein anderer mächtiger Antreiber wie, es allen recht zu machen, Perfektionismus u.v.m.
Letztendlich entpuppt sich der Zauberer von Oz als alter Mann, den eine Ballonfahrt nach Oz verschlagen hatte. Wegen seines ungewöhnlichen Transportmittels hielten ihn die Einwohner für einen mächtigen Magier und er bestätigte diese Fehlwahrnehmung, indem er mit Hilfe von raffinierten Effekten auftrat. Er regierte sein Reich zwischen den Herrschaftsgebieten von Hexen.
Dorothy kann das Trugbild entlarven und erkennt: Die wirkliche Zauberin ist sie selbst! Die Macht liegt in ihr. Ihre Reise war allerdings notwendig, um diese Erkenntnis zu erlangen.
11.Selbst bewusst sein
Obwohl der Zauberer von Oz die Vogelscheuche, den Blechmann und den Löwen davon zu überzeugen versucht, dass ihnen weder Verstand, Herz, noch Mut fehle, sondern lediglich der Glaube an sich selbst, muss er jedem erst eine Scheinarznei verabreichen, damit sie wirklich davon überzeugt sind, dass sie die Eigenschaften besitzen, die sie bereits gezeigt haben. Er verspricht Dorothy, seinen Heißluftballon zu reaktivieren, um sie nach Kansas zurückzubringen und ernennt die Vogelscheuche aufgrund ihres Verstandes zu seinem Nachfolger. Dorothy allerdings verpasst die Abfahrt des Ballons und wendet sich daraufhin wieder ratsuchend an Glinda, die gute Hexe des Nordens. Diese verrät Dorothy, dass die silbernen Schuhe, die sie die ganze Zeit trug, die magische Macht besitzen, sie nach Hause zu bringen. Unter Tränen trennt sich Dorothy von der Vogelscheuche, dem Blechmann und dem Löwen, die jeder bereits ein Königreich besitzen, nämlich die Königreiche, die zuvor unter der Herrschaft des betrügerischen Zauberers und der beiden bösen Hexen standen. Dorothy aber folgt dem Rat von Glinda, schlägt die Absätze ihrer Schuhe dreimal aneinander und sagt: „Bringt mich nach Hause zu Tante Em!“ Gesagt – getan: Dorothy kommt glücklich wieder zu Hause an.
Dorothy hat den ganzen Weg zurückgelegt, vom Opfer zum Schöpfer.
Es wird klar, dass es ihre Reise war, die sie in die Lage versetzt hat, sich nun auf neue, kreative Weise mit dem Leben auseinanderzusetzen. Während ihrer inneren Reise nach Hause erlangt sie ein Bewusstsein ihrer eigenen Macht, verwandelt ihre Schwächen in Stärken, befreit innere Länder von der Unterdrückung, indem sie ihre Schatten transformiert und herrscht von nun an mit Verstand, Herz und Mut.
Die Psychoanalytikerin Dr. Ute Karin Höllrigl fasst Dorothys Entwicklungsschritte folgendermaßen zusammen:
"Dorothy hat auf ihrem „goldgelben Weg“ eine neue Einstellung zu sich selbst als Mensch und ihrer Aufgabe erfahren und durchlitten. Im liebevollen Mitnehmen der Schwächen und Schattenseiten haben sich diese verwandelt und stehen ihr heute als Lebenskraft zur Verfügung. Dorothy kann sich nun angstfreier und kraftvoller auf ihre eigenen Füße stellen. Einerseits hat sie gelernt, nach innen zu horchen, aktiv und vertrauend mit den Impulsen aus dem Unbewussten umzugehen. Andererseits hat sie erfahren, wie wichtig es ab und zu ist, „die Absätze zusammenzuschlagen“, etwas auch bestimmt zum Ausdruck zu bringen, wenn sie etwas braucht. „Bringt mich nach Hause“ äußert sie klar und fest. Damit ist sie eine ebenso bestimmte wie demütige Herrin in ihrem eigenen Haus geworden, kann ihre negativen Triebe bezähmen und sogar in ihre Dienste stellen."
Sie hat Selbsterkenntnis erworben und gelernt, sich in sich selbst zu Hause zu fühlen, indem sie sich an ihr wahres, nicht zurechtgestutztes und ungebrochenes Wesen erinnert, das Pippi folgendermaßen zusammengefasst hat:
„Sei frech, wild und wunderbar!“